Deutschlektoren an der Universität Urbino
  2010: Wien
 


Reisebericht von Veronica Contini


Die Studienreise nach Deutschland ist mittlerweile eine Gewohnheit für die Deutschstudenten an der Uni Urbino geworden. Auch dieses Jahr haben die Lektoren Peter Bendermacher und Katrin Junge uns die Gelegenheit gegeben, die deutsche Sprache zu trainieren. Aber 2010 gab es zwei Neuheiten: das Ziel war keine deutsche Stadt, sondern Wien, die Hauptstadt Österreichs, und das Programm wurde vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur durchgeführt. Die Reise dauerte vom 27. März bis zum 3. April.

Nach einer unbequemen Bahnfahrt, die wir nachts im Sitzen verbracht hatten, kamen wir in unserer Unterkunft an, dem Gästehaus Hirschengasse, das relativ zentral in der Nähe von Mariahilferstraße und Zieglergasse lag. Wir hatten ein ganzes Stockwerk nur für uns, aber es war der fünfte Stock und jedes Mal mussten wir mehr als 100 Stufen hinaufsteigen, weil der Aufzug für die Lehrer und die Koffer reserviert war. Wir teilten uns vier Zimmer mit Etagenbetten. Alles war in Ordnung, aber nach dem ersten Blick waren wir bestürzt – die Duschen hatten keinen Vorhang! Eine "Beleidigung" für unser übermäßiges Schamgefühl… andere Länder, andere Sitten!

Nachdem wir unsere Koffer abgestellt und mehr oder weniger geduscht hatten, gingen wir ins Café Sperl, eines der ältesten und berühmtesten Kaffeehäuser Wiens. Diese Wiener Kaffeehäuser sind spezielle Lokale, wo man eine Tasse Kaffee trinken (auf der Speisekarte gibt es verschiedene Namen, wie z.B. Brauner oder Melange) und ein Stück Sachertorte essen kann. Es gibt dort Zeitungen, auch fremdsprachige, die man durchblättern kann, während man eine Zigarette rauchen und sitzen bleiben darf, solange man will (unvorstellbar in Italien). Am Café Sperl begann die Stadtrallye. Jede der drei Gruppen bekam einen Stadtplan und 20 Fragen zur Kultur und Geschichte Wiens und zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Das ist die beste Art, eine unbekannte Stadt kennen zu lernen und sich zu orientieren, weil man in wenigen Stunden viele Orte und einige Kuriositäten ohne die Hilfe eines Reiseführers sieht. Obwohl das ziemlich anstrengend ist, macht es auch viel Spaß, vor allem wenn man einen Passanten (vorzugsweise einen Einheimischen) um eine Auskunft bitten muss. Auf diese Weise haben wir viel über Wien erfahren. Natürlich gab es am Ende auch einen Sieger, aber die Hauptsache ist teilzunehmen und sich nicht zu verlaufen, damit man den Treffpunkt wieder findet. Nach der Stadtrallye besuchten wir noch einen Ostermarkt, wo man die typischen bunten Eier kaufen kann. Vor dem Abendessen zeigte uns Marcella (eine Studentin aus Urbino, die gerade ein Jahr in Wien als Erasmus-Studentin verbrachte) das Hauptgebäude der Uni und auch ihr Studentenwohnheim. Abends aßen wir ein echtes Wiener Schnitzel mit dem unvermeidlichen Kartoffelsalat… super!

Am Montagmorgen trafen wir uns mit Herbert, einem vom Ministerium bestellten Stadtführer, vor dem Stephansdom. Er wollte uns chronologisch durch die Wiener Kultur- und Architekturgeschichte führen. Also begannen wir mit der Gotik, die im Stephansdom gut zu sehen ist. Außerdem findet man dort auch verschiedene Beispiele der folgenden Renaissance. Dann besichtigten wir von außen die Hofburg und die Spanische Hofreitschule, beide aus dem 16. Jahrhundert. Gegenüber der Hofburg steht die Michaelerkirche, berühmt für ihre Krypta und ihren Barockstil. Nachtmittags besuchten wir das Parlament, ein riesiges Gebäude, das den Athener Parthenon imitiert. Es ist so groß, weil es früher Vertreter aller Mitgliedsländer der Donaumonarchie fassen musste, die ungefähr 50 Millionen Einwohner hatte, im Vergleich zu den 8 Millionen, die heute in Österreich leben. Das Parlament ließ Kaiser Franz Josef bauen, aber diese Institution gefiel ihm nicht. In der Tat war er nur einmal dort, am Tag der Eröffnung. Nach einem "Krankenhausabendessen" um halb sechs, gingen wir ins Kino.

Am Dienstagmorgen gingen wir ins MUMOK (Museum für moderne Kunst), das 2001 eröffnet wurde. Im MUMOK wurden wir in zwei Gruppen geteilt, jede machte eine ungewöhnliche Führung mit, weil wir selbst die Gemälde interpretieren und den anderen unsere Meinung erklären sollten. Nach dem Mittagessen besichtigten wir die UNO-City, die eine richtige Stadt in der Stadt ist und einen der vier Amtssitze der Vereinten Nationen beherbergt. Weitere bedeutende internationale Organisationen mit Sitz in Wien sind die OPEC, die OSZE und die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO). Die IAEO ist ebenfalls im Gebäudekomplex der UNO-City in der Nähe der Donau untergebracht. Danach gingen wir zur Donauinsel, um uns in der Sonne auszustrecken und ein bisschen zu entspannen. Am Abend erreichten wir mit der Straßenbahn das Hundertwasserhaus, in dem es Sozialwohnungen für arme Leute gibt. Dieses Gebäude erinnert sehr an die Casa Batllò und an den Parco Guell des Künstlers Gaudì in Barcelona. Beide Künstler arbeiteten nämlich in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts und verwendeten für ihre Werke dasselbe Material, wie z.B. Glas und Keramik. Den Rest des Abends verbrachten wir im Prater, einem Vergnügungspark, wo man mit Mut oder Furcht Fahrgeschäfte ausprobieren und viel Spaß haben kann. Dort gibt es auch ein Riesenrad, von dem man eine herrliche Aussicht auf die Stadt hat.

Am Mittwochmorgen zeigte unser Stadtführer Herbert uns das barocke Wien. Obwohl das Wetter nicht auf unserer Seite war, besichtigten wir die Peterskirche, wo man das Skelett vom Stifter des "Opus Dei" sehen kann. Danach gingen wir in die Kaisergruft, wo die wichtigsten Habsburger beerdigt sind. Maria Theresias Grab ist das gewaltigste und mächtigste, aber die meisten Touristen drängen sich um das von "Sissi". Vor dem Mittagessen waren wir noch in der Nationalbibliothek. Am Nachmittag besuchten wir das Kunsthistorische Museum, wo es Bilder von Raphael, Dürer, Velàzquez, Rembrandt, van Dyck, Rubens, Arcimboldo und viele anderen gibt.

Der Donnerstag war dem 19. Jahrhundert gewidmet. Wir begannen mit dem Rathaus und der Postsparkasse des Architekten Otto Wagner. Danach gingen wir ins MAK (Museum für angewandte Kunst). Dort kann man eine eklektische Sammlung von kunsthandwerklichen Gegenständen bestaunen, z.B. von Klimt und den Wiener Werkstätten. Andere vertretene Künstler sind Josef Hoffmann, Otto Wagner und Adolf Loos, die sich für eine Volkskunst eingesetzt hatten. Am Nachmittag besichtigten wir die Secession mit dem Beethoven-Fries von Gustav Klimt. Seit einigen Monaten gab es dort eine besondere Installation. In der Nacht wurde es nämlich zu einem Rotlichtlokal, aber die Einrichtung blieb auch am Tag, sodass sich die Besucher zwischen ausgestopften Tiere, einem Whirpool, Bademänteln und einer sperrigen Vegetation bewegen mussten. Von der Secession fuhren wir zum Schloss Belvedere. Es besteht aus zwei barocken Gebäuden (Unteres und Oberes Belvedere), die im 18. Jahrhundert von Johann Lucas von Hildebrandt entworfen wurden. Dazwischen gibt es einen abfallenden italienischen Garten, von dem man eine wunderbare Aussicht auf die Stadt genießen kann. Das Obere Belvedere wurde eigens für die prunkvollen Bälle des Prinzen Eugen von Savoia gebaut. Heute beherbergt das Obere Belvedere eine Gemäldesammlung mit Werken von Gustav Klimt (wie der berühmte "Kuss") und einigen seiner Zeitgenossen, z.B. Egon Schiele und Oskar Kokoschka. Abends hatte das Ministerium für uns Karten für Carmen in der Volksoper reserviert. Die Aufführung war modern, es gab sogar einen Motorradfahrer. Es war ziemlich schwer für uns zu folgen, weil die Oper auf deutsch war, und wie man weiß, sind Opern auch auf italienisch fast unverständlich.

Freitag war der letzte Tag unserer Reise, daher konnte es kein besseres Ende geben als ein Besuch im Schloss Schönbrunn. Dieses Schloss ist die ehemalige kaiserliche Sommerresidenz und Wiens meistbesuchte Sehenswürdigkeit. Auch der Tiergarten befindet sich auf dem Areal des Gartens von Schönbrunn, und wenn man tüchtig laufen kann, erreicht man über einen gewundenen und ansteigenden Weg die Gloriette. Es ist ein bisschen anstrengend, aber der Ausblick von dort oben lohnt sich. Am Nachmittag hatten wir ein bisschen Zeit, um eine letzte Runde durch die Stadt zu drehen und natürlich um eine echte Sachertorte und die leckeren Mozartkugeln zu kaufen. Am Abend stiegen wir in den Zug und am nächsten Morgen endete unsere Reise wieder in Italien.

Abschließend müssen wir unseren Lektoren für ihre Geduld und Bereitwilligkeit danken und hoffen, dass es auch in den nächsten Jahren Studienreisen geben wird, weil sie eine unersetzliche Erfahrung sind.

 
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